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Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.6.2019 – 7 U 140/18

Infraschall-gerichtliche Überprüfung

Vorbemerkung:

Bereits seit Jahren vertrete ich vor den Verwaltungsgerichten Mandanten auch unter den Vortrag der Belastung durch Infraschall.

Bislang hat kein einziges Gericht in Deutschland diesen Sachverhalt ernstlich berücksichtigt. Die Verwaltungsgerichte, die beklagten Behörden und die Windkraftbetreiber berufen sich stets auf einige wenige unvollständige und fachlich nicht nachvollziehbare sogenannte Gutachten der Landesämter für Umwelt insbesondere aus Baden-Württemberg und Bayern. Diese behaupten, Belastungen mit Infraschall durch Windkraftanlagen würden maximal in einer Entfernung von 300 m wahrnehmbar sein.

Ich habe stets auf die nunmehr bereits sehr umfangreichen Stellungnahmen, Gutachten und Expertisen namhafter Ärzte und Physiker verwiesen. Dies blieb aber stets weitestgehend unberücksichtigt mit dem Bemerken der Gerichte, eine belastbare gutachterliche Studie in Deutschland sei nicht vorhanden.

Durch das nunmehr ergangene Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig Holstein vom 13.6.2019, Az. 7 U 140/18 könnte es nunmehr zu einer Bewegung in diesem Bereich des Infraschall ergeben.

I. Bewertung des Urteils des Oberlandesgerichts Schleswig Holstein vom 13.6.2019

Dieses Urteil erging in einer Einzelfallentscheidung im Zivilrecht.

Wie bereits oben ausgeführt, habe ich bereits vor mehr als zehn Jahren erste Zivilrechtsklagen gegen Windkraftanlagen geführt.

Im Unterschied zu den Verwaltungsklagen gegen Genehmigungen von Windkraftanlagen richtet sich die Zivilklage nicht gegen die Entscheidung im Genehmigungsverfahren durch die Genehmigungsbehörden, sondern gegen den Störer im zivilrechtlichen Sinn.

Rechtsgrundlage für die Zivilklage bildet § 1004 BGB i.V.m. den §§ 5 und 6 BImSchG.

Nach diesen Maßgaben kann ein Betroffener die Unterlassung bzw. Beseitigung einer Störung des Grundstücks verlangen und zwar von dem Störer, gleich ob dieser direkter Anlieger des Grundstückes ist oder weiter entfernt die Störung verursacht.

Dabei muss es sich um eine wesentliche Störung handeln.

Meine bisherigen Zivilklagen richteten sich im Wesentlichen gegen die Überschreitung der höchstzulässigen Nachtimmissionsrichtwerte nach der TA-Lärm und insbesondere gegen Störungen aufgrund Ton- und/oder Impulshaltigkeit der Anlagen.

Durch das nunmehr ergangene Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig Holstein eröffnet sich durchaus die Möglichkeit, in diesem zivilrechtlichen Verfahren auch den Infraschall vorzubringen.

Im Unterschied zur bisherigen Rechtsprechung zieht nun das Oberlandesgericht Schleswig Holstein die bisherigen Rechtsansichten auch der Landesumweltämter absolut infrage, ob nicht doch erhebliche Störungen und Nachbarbelästigungen durch Infraschall gegeben sein können.

Das Oberlandesgericht hat deswegen die Entscheidung des Landgerichts Itzehoe bezüglich einer nicht vorgenommenen vollständigen Prüfung zum Thema Infraschall an dieses wieder zurückverwiesen mit der Maßgabe, dass keine ausreichende Prüfungen in Richtung Infraschall vorgenommen worden sind.

Es ist durchaus möglich und bleibt zu hoffen, dass aufgrund dieser sehr erfreulichen Entscheidung des Oberlandesgerichts die Diskussion um den Infraschall nunmehr Eingang zu den gerichtlichen Überprüfungen gefunden hat.

II. Mögliche Vorgehensweise und Kosten

Wie bereits oben ausgeführt, besteht neben dem Vortrag im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, der künftig wohl auch auf dieses Urteil des Oberlandesgerichts gestützt werden kann, auch die Möglichkeit, gegen bestehende Anlagen im zivilrechtlichen Verfahren mit der Begründung der Belastung durch Infraschall vorzugehen.

Kläger/Klägerin kann jede natürliche Person sein, die von Infraschall belastet ist.

Prozessgegner im Zivilprozess ist stets der Windkraftbetreiber als sogenannter „Störer“ im Sinn des § 1004 BGB.

Der § 1004 BGB betrifft die Störung des Eigentums. Möglich erscheint aber auch die Störung des Besitzes. In diesem Fall gilt als Rechtsgrundlage § 869 BGB (Rechte des sogenannten mittelbaren Besitzers). Hier kommen Mieter, Pächter und dergleichen in Betracht.

Hierbei muss es sich um eine wesentliche Beeinträchtigung handeln im Sinne des § 906 Abs. 2 BGB.

Für weitere Auskünfte, auch zu den Kosten des Verfahrens, stehe ich gerne zur Verfügung.

Hess. VGH, Beschluss vom 10.11.2016 – 9 E 2629/16

Streitwert Klagen Umwelt- und Naturschutzverbände Windkraftanlagen

Entgegen der Rechtsprechung des OVG Münster (Beschluss6.5.2016 – 8 B 866/15) hält der Hess.VGH an der bisherigen Praxis der Streitwertfestsetzung von 15.000,- € fest.

Windkraftinvestoren hatten versucht, eine Streitwerterhöhung für jede einzelne Anlage herbeizuführen. Dadurch würde die Hürde für anerkannte Naturschutzverbände, Verbandsklagen zu führen, erheblich erhöht.

Der Hess.VGH hat aber die bisherige Praxis, die sich an dem Streitwertkatalog des BVerwG orientiert, nunmehr bestätigt.

EuGH, Urteil vom 15.10.2015 – C – 137/14

Der EuGH hält in diesem Urteil die deutsche Gesetzgebung im Umweltbereich in mehreren Punkten für unvereinbar mit dem europäischen Recht.
Dies gelte insbesondere für den Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung.
Der EuGH sieht die bisherige Beweislastregelung zulasten der Bürger und Naturschutzverbände für rechtswidrig an. Die Beweislast, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung überhaupt und fehlerfrei stattgefunden habe, obliege der Behörde und nicht den Bürgern und Naturschutzverbänden. Dies stärkt nunmehr erheblich die Position der Bürger und Naturschutzverbände.
Gerügt vom EuGH wurde ferner, dass die Präklusionsregelung im Verlauf des Genehmigungsverfahrens (Beteiligungspflicht anlässlich einer öffentlichen Auslegung im Genehmigungsverfahren) mit europäischem Recht nicht vereinbar ist. Zu Recht weist der EuGH darauf hin, dass hier Bürger und Naturschutzverbände um ihr Klagerecht gebracht werden. In der bislang geübten Praxis wird den betroffenen Bürgern und Naturschutzverbänden zu einem viel zu frühen Zeitpunkt eine komplette Einschätzung des Sachverhalts abverlangt. Wird dies versäumt, führt dies zum kompletten Ausschluss im Klageverfahren. Diese Präklusion ist nun nicht mehr möglich.
Leider hat der EuGH aber die Klage der EU-Kommission insoweit abgewiesen, als Bürger nach wie vor die persönliche Betroffenheit von der Entscheidung nachweisen müssen.
Für Umweltverbände besteht diese Einschränkung allerdings nicht.

Bürger und Normenkontrollverfahren;
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.4.2015 – 4 CN 6/14

In einer für Bürger und Grundstücksbesitzer wichtigen Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht – aus hiesiger Sicht längst überfällig – nunmehr auch für betroffene Privatpersonen eine Antragsbefugnis im Rahmen des Normenkontrollverfahrens nach § 47 VwGO festgestellt.

Bislang bestand diese Möglichkeit des Normenkontrollverfahrens nur für Windkraftbetreiber bzw. Verpächter derartiger Flächen. Die damit verbundene Ungleichbehandlung wurde von mir immer wieder gerügt.

Durch dieses neue Urteil besteht nun eine Antragsbefugnis auch privater Grundstückseigentümer, deren Grundstück im räumlichen Geltungsbereich einer Zielfestlegung mit der Wirkung des § 35 Abs. 3 S. 2 HS 1 BauGB liegen. Diese Vorschrift bezieht sich auf die Begriffsbestimmung der Ziele in § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG (Raumordnungsgesetz). Maßgeblich für die Antragsbefugnis ist deshalb, ob das betreffende Grundstück innerhalb der so genannten Zielfestlegung liegt. Dies muss im Einzelfall geprüft werden.

Auf jeden Fall stellt dieses Urteil einen Schritt in die richtige Richtung dar.