Zusammenfassender Überblick über Gesetzesänderungen 2022/23

Einführung

Der Deutsche Bundestag hat auf Anregungen des Wirtschaftsministers Habeck und der Grünen-Fraktion zwischenzeitlich verschiedene Gesetzesänderungen bzw. Gesetzesergänzungen zugunsten der Windkraft vorgenommen. Diese Änderungen finden vor allem Niederschlag im EEG sowie im Bundesnaturschutzgesetz.

Durch diese Änderungen soll der Ausbau der Windkraft erleichtert werden.
Tatsächlich gehen diese Änderungen aber vollständig zulasten des Naturschutzes und des Landschaftsschutzes.
Der bislang vorgegebene Einsatz für die Erhaltung der Natur, den Artenschutz und den Landschaftsschutz zum Wohle der Menschen und Tiere wird aus ideologischen Gründen nahezu vollständig aufgegeben.
Hierbei wird bewusst in Kauf genommen, dass Artenschutz und Biodiversität massiven Schaden nehmen, der nicht wiedergutzumachen ist.
Dies geschieht alles in Kenntnis europarechtlicher Vorgaben, die genau diesen gesetzlichen Änderungen und Ergänzungen entgegenstehen.
Vorgegeben wurde zwar, Windkraft und Naturschutz „in Einklang zu bringen“.
Tatsächlich dienen diese Vorgaben ausschließlich der Bevorzugung der Windenergie und des massiven Ausbaus dieser Energieform.

Bisherige Erleichterungen für die Windindustrie

Hierbei darf nicht übersehen werden, dass auch in der Vergangenheit bereits massive Einschränkungen des Naturschutzes und Artenschutzes durch die vorangegangenen Regierungen stattgefunden haben.

Investitionsbeschleunigungsgesetz

Zu erinnern ist an das Investitionsbeschleunigungsgesetz im Dezember 2020. Bereits hier wurde zugunsten der Windenergie der Rechtsweg verkürzt, nachdem bei Klagen gegen Windkraftanlagen und in einstweiligen Verfahren direkt die Oberverwaltungsgerichte bzw. die Verwaltungsgerichtshöfe zuständig sind. Dadurch wird der klagenden Partei jeweils eine Instanz genommen.
Des Weiteren wurde unterbunden, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen immissionsschutzrechtliche Genehmigungen von Windkraftanlagen aufschiebende Wirkung erzeugen. Genehmigungsbescheide für Windkraftanlagen genießen nun direkt die sofortige Vollziehbarkeit. In einem mühsamen einstweiligen Antragsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht/dem Verwaltungsgerichtshof muss nun die aufschiebende Wirkung separat zu Widerspruch bzw. Klage eingeholt werden.

Leitlinien, Hinweise für die Verwaltung, Windkrafterlasse

Bereits zuvor wurden durch die diversen Leitlinien, Hinweise für die Verwaltung, Windkrafterlasse in den Ländern, sehr unterschiedliche Handlungsempfehlungen erlassen, an die sich die untergeordneten Genehmigungsbehörden bzw. behördliche Fachstellen halten mussten. Dies reichte von sehr oberflächlichen naturschutzrechtlichen Prüfungen bis hin zu doch sehr differenzierten und auch anspruchsvollen Vorgaben beispielsweise in Bayern.

Aufgrund der jetzigen erzeugten Gesetzeslage beginnen nun nahezu alle Bundesländer bzw. Landesumweltämter damit, neue Leitlinien, Windkrafterlasse und dergleichen zu erlassen. Wie im Folgenden dargestellt wird, verheißt dies nichts Gutes.

§ 80c VwGO

Des Weiteren versucht die Bundesregierung derzeit im Rahmen eines Referentenentwurfs, die Vorschriften bezüglich des einstweiligen Verfahrens durch einen neu einzufügenden § 80c VwGO zu ergänzen.
Dadurch sollen die Gerichte in die Lage versetzt werden, behördliche Fehler im einstweiligen Verfahren eigenständig zu heilen.
Die Kollegen Baumann haben in einer rechtsgutachterlichen Stellungnahme vom September 2022 herausgearbeitet, dass diese beabsichtigte Regelung rechtswidrig, weil unionsrechtswidrig ist, denn er erlaubt eine Aufrechterhaltung der Wirkungen unionsrechtswidriger Verwaltungsakte für einen unbestimmten Zeitraum und zwar ohne, dass dies durch überragende Gründe des Allgemeinwohls, wie sie der EuGH skizziert hat, gerechtfertigt werden könnte. § 80c VwGO würde dazu führen, dass eine Weitergeltung unionsrechtswidriger Verwaltungsakte nicht die absolute Ausnahme bleibt, sondern künftig bei nahezu allen UVP-pflichtigen Projekten die Regel sein wird. Entgegen dem Anspruch auf Schaffung eines weiten Zugangs zu Gericht aus Art. 9 Abs. 2-4 der Konvention von Aarhus wird dem Eilrechtsschutz in Umweltsachen durch § 80c VwGO jegliche Effektivität genommen.

Ständige Verschärfungen nach § 6 Umweltrechtsbehelfsgesetz

Gemäß § 6 S. 1 Umweltrechtsbehelfsgesetz sind klagende Umweltverbände bzw. Naturschutzverbände sowie Privatpersonen und Gemeinden verpflichtet, innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung vollständig unter Antritt sämtlicher Beweismittel die Klage bzw. den Antrag im einstweiligen Verfahren zu begründen.
War zu Anfang lediglich erforderlich, dem Grunde nach die Einwände zu bezeichnen, auf die die Klage gestützt wird, so hat sich diese Vorschrift zwischenzeitlich zu einer Präklusionsvorschrift entwickelt.
Gefordert wird nunmehr nicht nur die Angabe jener Gründe, auf die sich die Klage bzw. der einstweilige Antrag stützen soll. Gefordert wird nun ein vollständiger, nahezu abschließender Vortrag im Rahmen der Klagebegründung. Zugelassen werden nach Ablauf der 10-Wochenfrist nur noch Rechtsausführungen. Weitere Beweismittel und weiterer Tatsachenvortrag wird aber als verspätet zurückgewiesen und von den Gerichten nicht mehr beachtet.

Auf den ersten Blick vermag eine 10-Wochenfrist ausreichend zu sein, um eine Klage zu begründen. In der Praxis ist diese Frist aber weit zu kurz bemessen.
Im Rahmen einer Klage oder eines einstweiligen Antrags liegen dem Kläger in der Regel die Genehmigungsunterlagen und Verwaltungsakten zu dem Vorgang nicht vor. Diese müssen bei Gericht erst durch Akteneinsicht angefordert werden.
Bis diese Akteneinsicht durch die Gerichte gewährt wird, vergehen in der Regel mehrere Wochen. Oftmals wird die Akteneinsicht erst nach Ablauf der 10-Wochenfrist gewährt, sodass innerhalb der Frist keine ordnungsgemäße Bearbeitung möglich ist. Die Frist bis zur Erreichung der Akteneinsicht wird aber im Rahmen des § 6 Umweltrechtsbehelfsgesetz nicht berücksichtigt.

In keiner anderen Rechtsstreitigkeit gelten vergleichbare Regelungen. Beispielsweise unterliegen Windkraftbetreiber bei Klagen gegen eine ablehnende Entscheidung der Behörde, diesen Maßgaben nicht. Es erfolgt dementsprechend eine einseitige Benachteiligung der Naturschutz- und/oder Umweltverbände, sowie privat klagender Personen aber auch klagender Gemeinden.

§ 44 BNatSchG und § 45 BNatSchG

Grundsätzlich regelt § 44 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Bundesnaturschutzgesetz Verbote der Tötung bzw. Störung geschützter Arten.
Auch diese Vorschrift hat im Laufe der letzten Jahre massive Einschränkungen erfahren müssen. So wurde ursprünglich bereits eine Ausnahme in § 44 Abs. 5 BNatSchG geschaffen, wonach ein Verbot nach § 44 Abs. 1 BNatSchG nicht anzunehmen ist, wenn das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht ist.

Des Weiteren kann auf der Rechtsgrundlage des § 45 Abs. 7 Nr. 5 BNatSchG die Naturschutzbehörde aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, eine Ausnahme von den Verboten des § 44 BNatSchG zulassen.
Dies erforderte bereits in der Vergangenheit eine konkrete Abwägungsentscheidung zwischen den öffentlichen Interessen an der Nutzung der Windenergie, den privaten Interessen der Windkraftbetreiber und den entgegenstehenden naturschutzrechtlichen Belangen.
Bereits diese Ausnahmevorschrift führte oftmals zu massiven Schädigungen der Arten.
Immerhin war aber auch auf der Grundlage des Art. 20a GG eine gerichtliche Überprüfbarkeit der Abwägung möglich.

Regelungen des § 45b BNatSchG

Um nach Möglichkeit jeden artenschutzrechtlichen und naturschutzrechtlichen Belang auszuschalten, hat der gegenwärtige Gesetzgeber die Neuregelungen in § 45b Abs. 1-5 BNatSchG geschaffen.
Voran geschickt sei, dass es unter anderem verboten ist, das Risiko der Tötung oder Verletzung europäischer Vogelarten nach der Vogelschutz-Richtlinie sowie der Arten des Anhangs IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) signifikant zu erhöhen. Es kommt also bei der Frage, ob ein Tötungs- oder Verletzungsrisiko signifikant erhöht wird, darauf an, ob sich dieses Risiko durch das jeweilige Vorhaben deutlich bzw. wesentlich erhöht. Dies war durch die Behörden und notfalls durch die Gerichte im Einzelfall festzustellen und zu prüfen.
Diese Prüfungsmöglichkeiten sollen nach dem Willen des jetzigen Gesetzgebers durch die neuen Regelungen in § 45b Abs. 1-5 BNatSchG speziell für Windenergieanlagen nahezu ausgeschaltet werden.

Diese Neuregelungen gelten (zunächst) nur für die Brutvogelarten. Nicht erfasst wird durch die Neuregelung (zunächst) auch nicht das Störungsverbot des § 80 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG und die Prüfung des Schutzes der Fortpflanzungs- und Ruhestätten in Nr. 3 der Vorschrift.

Erfasst werden zudem nur noch jene Brutvogelarten, die in der Tabelle in Abschnitt 1 der neuen Anl. 1 zum Bundesnaturschutzgesetz enthalten sind. Diese Aufzählung ist als abschließend zu verstehen. Genannt werden nunmehr nur noch 15 Brutvogelarten:
Seeadler, Fischadler, Schreiadler, Steinadler, Wiesenweihe, Kornweihe, Rohrweihe, Rotmilan, Schwarzmilan, Wanderfalke, Baumfalke, Wespenbussard, Weißstorch, Sumpfohreule, Uhu. Nicht mehr genannt ist insbesondere der Schwarzstorch, der vielfach zur Versagung von Genehmigungen für Windkraftanlagen geführt hat. Allerdings gilt für den Schwarzstorch nach wie vor das Störungsverbot.

Verstoß gegen Unionsrecht

Insbesondere Art. 5a V-RL schützt sämtliche wildlebende europäische Vogelarten, die nur ausnahmsweise, also unter Einhaltung der strengen Ausnahmevorschriften des Unionsrechts, getötet oder verletzt werden dürfen. Die Vogelschutzrichtlinie sieht eine Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl von Vogelarten nicht vor. Die Einschränkungen des § 45b Abs. 1 BNatSchG mit der oben angeführten Anl. 1 verstößt dementsprechend gegen Art. 5a der Vogelschutzrichtlinie und damit gegen höherrangiges, sämtliche Mitgliedstaaten gleichermaßen bindendes Recht. Hervorzuheben ist, dass der europäische Gerichtshof in verschiedenen Entscheidungen klargestellt hat, dass es Mitgliedstaaten untersagt ist, eigenmächtig den Anwendungsbereich des Tötung- und Verletzungsverbots zu reduzieren.
Hiergegen verstößt die Bundesregierung mit dem geschaffenen § 45b BNatSchG.

Daneben missachtet der jetzige Bundesgesetzgeber mit § 45b BNatSchG den aktuellen Stand der Wissenschaft, der grundsätzlich zu berücksichtigen ist.
Eine derartige Beschränkung der betroffenen Arten auf insgesamt nur 15 Arten verstößt gegen den Stand der Technik und damit auch gegen europäisches Recht.

Staffelung kollisionsgefährdeter Brutvogelarten in Abschnitt 1 der Anl. 1 zu
§ 45b Abs. 1-5

Die Anl. 1 zu § 45b enthält nicht nur eine Beschränkung der kollisionsgefährdeten Brutvogelarten, sondern verfügt auch eine Staffelung von Abstandsvorgaben.

Das bislang als Stand der Technik geltende sogenannte Helgoländer Papier 2 und auch die vorangegangenen Listen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten enthielten zwei Prüfbereiche und zwar den sogenannten engen Prüfbereich und den erweiterten Prüfbereich.
Der enge Prüfbereich markierte jene Fläche, die von der jeweiligen Art stark frequentiert wurde. In der Regel war dies der Horstbereich, der je nach Art und Umfang variierte. Bei dem erweiterten Prüfbereich handelt es sich um entsprechende genutzte Fläche des Überflugs bzw. des Jagdhabitats. Im sogenannten engen Prüfbereich galt zunächst die Regel, dass in diesem Bereich ein signifikantes Tötungsrisiko vorliegt. Im erweiterten Prüfbereich war mittels Analyse nachzuforschen, inwieweit eine Raumnutzung vorliegt, die ebenfalls zu einem signifikanten Tötungsrisiko führen kann.

Diese schon einschränkende Regelung wird nun durch den jetzigen Gesetzgeber massiv ausgehöhlt, nachdem diese bisherige Regelung zur Ablehnung von Genehmigungen für Windkraftanlagen zu Recht geführt hat.
Unter Verfolgung windkraftorientierter ideologischer Ideen wird nun mit diesen Regelungen versucht, Windkraftanlagen auch bei Vorliegen eines signifikanten Tötungsrisikos dennoch zu genehmigen.
Lediglich im absoluten Nahbereich soll noch von einem signifikanten Tötungsrisiko ausgegangen werden, wie beispielsweise beim Rotmilan mit lediglich noch 500 m. Dies ist allein schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Hauptaktivitäten des Rotmilans laut Erkenntnissen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten mit nahezu 80 % im Bereich von 1500 m um den Horst stattfinden. Bei den anderen Arten gilt letztlich das gleiche.
Selbst bei dem sogenannten „zentralen Prüfbereich“, der zunächst einmal von einem signifikanten Tötungsrisiko ausgeht, werden Sonderregelungen getroffen, die wiederum zur Genehmigungsfähigkeit führen sollen.
Der Gesetzgeber baut der Windenergie hier eine „goldene Brücke“ über § 45b Abs. 6 BNatSchG. Diese Maßgabe beinhaltet sogenannte Schutzmaßnahmen die in Gestalt von Abschaltungen von Windkraftanlagen bezeichnet werden. Dies war auch bislang schon möglich. Allerdings soll dies dann nicht gelten und die Anlagen in Betrieb bleiben dürfen, soweit die Abschaltung den Jahres-Energie-Ertrag um mehr als 8 % bzw. mehr als 6 % schmälern würde.
Letztendlich bedeutet dies, dass nahezu jeder Windkraftbetreiber diese Ertragsminderung geltend machen kann. Dies führt dann dazu, dass die Anlage überhaupt nicht abgeschaltet werden muss und die geschützten Arten dem Tod preisgegeben werden.
Es ist in diesem Fall noch nicht einmal eine Habitatpotenzial-Analyse oder Raumnutzungsanalyse notwendig.
Ausreichend ist vielmehr, dass die in der Anl. 1 Abschnitt 2 genannten Schutzmaßnahmen genannt werden. Eine hinreichende Prüfung durch die Behörde, ob der Einsatz von Schutzmaßnahmen zu einer hinreichenden Risikominimierung führt, sieht die Neuregelung an sich nicht mehr vor. Es soll in der Regel davon auszugehen sein, dass die Risikoerhöhung bei einem Einsatz der dort genannten Maßnahmen hinreichend gemindert ist.

Auch diese Vorgehensweise, die letztlich zur massiven Schädigung der geschützten Arten führt, ist mit Unionsrecht nicht vereinbar.

Für den Bereich zwischen Nahbereich und zentralen Prüfbereich gilt an sich, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Tötungs- und Verletzungsrisiko, der den Brutplatz nutzenden Exemplare signifikant erhöht ist.
Dies soll allerdings gemäß § 45b Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG nur dann gelten, wenn eine signifikante Risikoerhöhung nicht auf der Grundlage einer Habitatpotenzial-Analyse oder einer auf Verlangen des Trägers des Vorhabens durchgeführten Raumnutzungsanalyse widerlegt werden kann, oder nach Nr. 2 die signifikante Risikoerhöhung nicht durch fachlich anerkannte Schutzmaßnahmen hinreichend gemindert werden kann.
Eine Minderung soll insbesondere dann stattfinden, wenn Antikollisionssysteme genutzt werden oder Abschaltungen bei landwirtschaftlichen Ereignissen angeordnet werden, attraktive Ausweich-Nahrungshabitate angelegt oder Phänologie bedingte Abschaltungen angeordnet sind. In diesem Fall soll eine Minderung vorliegen und das signifikante Tötungsrisikos ausgeschaltet werden.

§ 45b Abs. 8 BNatSchG

Diese Vorschrift des § 45b Abs. 8 BNatSchG schließt an die Ausnahmegewährung des § 45 Abs. 7 BNatSchG an. Die neu geschaffene Vorschrift des § 45b Abs. 8 BNatSchG gilt als reine Vorfahrtsregelung für Windkraftanlagen, die als im überragenden öffentlichen Interesse liegend und der öffentlichen Sicherheit dienend bezeichnet werden.
Diese Vorschrift ist unionsrechtswidrig.
Der europäische Gerichtshof hat in mehreren Entscheidungen zu § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 5 BNatSchG, der die Grundlage des neu geschaffenen § 45b Abs. 8 BNatSchG bildet, verworfen. Art. 9 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie akzeptiert nicht den im deutschen Recht vorgesehenen Zugriffsgrund des „öffentlichen Interesses“. Umso mehr ist davon auszugehen, dass die gesteigerte Form des „überragenden öffentlichen Interesses“ und „der öffentlichen Sicherheit durch Windkraftanlagen“ vom europäischen Gerichtshof nicht akzeptiert werden wird.
Mitgliedstaaten ist es grundsätzlich verwehrt, eigenmächtig weitere Ausnahmegründe zu schaffen.
Die Mitgliedstaaten sind zur Wahrung der Einheit der Rechtsordnung strikt an die Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs gebunden.
Dies hat im Übrigen auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt
Es bleibt dementsprechend bei den abschließenden Ausnahmegründen in Art. 9 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie.

Gleiches gilt letztlich für den Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ in Bezug auf Windkraftanlagen.
Die Vogelschutzrichtlinie sieht zwar die öffentliche Sicherheit als Ausnahmegrund vor. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird aber nicht durch eine Einzelanlage oder einen einzelnen Windpark infrage gestellt.

Des Weiteren wird durch diese neue gesetzliche Regelung des „überragenden öffentlichen Interesses“ und der „öffentlichen Sicherheit“ jedwede Abwägungsentscheidung, die nach Art. 20a GG vorgeschrieben ist, bereits im Vorfeld abgewürgt.

§ 45b Abs. 8 BNatSchG nimmt zudem in Nr. 4 und Nr. 5 wieder Bezug auf den Erhaltungszustand der Population.
Es wird immer wieder seitens der jetzigen Bundesregierung und damaligen Opposition sowie der Windindustrie versucht, diesen Populationsgedanken in die Gesetzgebung einzuführen.
Der europäische Gerichtshof hat wiederholt derartige Bestrebungen abgelehnt und darauf hingewiesen, dass es ausschließlich auf den Schutz des Individuums ankommt. Nunmehr wird erneut der Versuch unternommen, diese Populationsgefährdung zu thematisieren. Es ist davon auszugehen, dass der europäische Gerichtshof dies wiederholt auch wieder ablehnen wird.

Weiter schaltet § 45b Abs. 8 Nr. 6 BNatSchG eine Einzelfallprüfung und Ermessensentscheidung der Behörde aus, weil dieser zwingend vorschreibt, dass eine Ausnahme zu erteilen ist, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG vorliegen. Unter Berücksichtigung der nicht unionskonformen Regelungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG gilt auch diese Verpflichtungsnorm als unionsrechtswidrig.

Verbot von Abschaltungen

§ 45b Abs. 9 BImSchG verbietet der Behörde sogar Abschaltanordnungen zu treffen, wenn Ertragsreduzierungen von 6 bzw. 4 % zu erwarten sind. Auch hier wird wieder auf die wirtschaftlichen Belange der Windkraftbetreiber abgestellt und die naturschutzrechtlichen Belange übergangen.

Wind-an-Land-Gesetz (WaLG)

Der jetzige Gesetzgeber hat zur Beschleunigung des Windkraftausbaus das sogenannte Wind an Land Gesetz auf den Weg gebracht. Dieses Gesetz soll am 1.2.2023 in Kraft treten.
Das Gesetz gibt den Ländern verbindliche Flächenziele vor.
Diese Flächenziele sind in der Anl. 1 des Gesetzes als sogenannte Flächenbeitragswerte niedergeschrieben.
Vorgegeben ist ein Flächenbeitrag der bis zum 31.12.2026 zu erreichen ist (in Bayern: 1,1 % der Landesfläche) und ein Flächenbeitrag der bis zum 31.12.2032 zu erfüllen ist (in Bayern: 1,8 % der Landesfläche). Für Bayern bedeutet dies bei einer Landesfläche von 70.541,57 km² ein Nachweis für Windkraftflächen mit ca. 1300 km².
Im Zuge dieses Gesetzes werden auch Vorschriften des Baugesetzbuches ergänzt. So wird die Sonderregelung für Windenergieanlagen an Land mit § 249 BauGB ergänzt.

Folgende Änderungen sieht die Gesetzgebung vor:

Bis Ende 2026 gilt folgendes:
Konzentrationsflächenplanung der Kommunen haben Bestandsschutz; neue Planungen sind aber nicht mehr zulässig. (§ 245e BauGB)
Bestandsschutz haben auch die Regionalpläne
Bestandsschutz für die angepasste 10-H-Regelung in Bayern
Sobald für das Land oder die Region die Erfüllung des Flächenbeitrag erfüllt ist, sind Windenergieanlagen nur noch in den Wind Energie gebieten oder nach § 35 Abs. 2 BauGB (Sonstige Vorhaben) zulässig.

Ab dem Jahr 2027 bzw. 2033 gilt folgendes:
A: Flächenziel wird erreicht
Windkraftanlagen sind nur in Windenergiegebieten zulässig
außerhalb von diesen Gebieten nur ausnahmsweise nach § 35 Abs. 2 BauGB

B: Flächenziel wird nicht erreicht
Die Wirkung der Konzentrationsflächenplanung der Regionalplanungen und der 10-H-Regelung entfällt.
Es gilt dann uneingeschränkt die Privilegierung der Windkraft nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB.
Es gibt dementsprechend dann keine Steuerung der Windkraftnutzung an Land mehr.

Änderungen der 10-H-Regelung (Bayern)
Reduzierter Abstand von 1000 m statt der bisherigen 10-H-Regelung:
– in Vorrang- und Vorbehaltsgebiet für Windkraft der Regionalpläne;
– in einem Abstand von höchstens 2000 m zu einem Gewerbe- oder Industriegebiet, wenn der erzeugte Strom überwiegend zur Versorgung dem im Gebiet liegender Betriebe bestimmt ist;
– entlang von Haupteisenbahnstrecken, Bundesautobahnen, vier- oder mehrstreifige Bundesstraßen (Anbauverbot +500 m);
– beim Repowering;
– auf militärischen Übungsgeländen;
– in bestehendem Wald nach dem Bayerischen Waldgesetz